Leitfaden für Lehrer
Das Thema Unfruchtbarkeit in der Reproduktionsmedizin: Eine medizinische und (inter) kulturelle Perspektive


LEITFADEN FÜR LEHRENDE
5. Das Thema Unfruchtbarkeit in der Reproduktionsmedizin: Eine medizinische und (inter)kulturelle Perspektive
(Fortgeschritten)
Folien 2-3
Gliedern Sie den logischen Aufbau Ihrer Präsentation, damit die Studierenden Ihrem Gedankengang folgen können! Beziehen Sie sich wiederholt auf diese logische Abfolge in Ihrer Präsentation. Die Folie mit dem Titel „Diskutierte Themen“ zeigt die Gesamtstruktur der Präsentation, während die Folie „Einleitung“ die Unterschiede zwischen der medizinischen und der Patient*innen-Perspektive in einer Ich-Erzählung veranschaulicht. Sie lenkt auch die Aufmerksamkeit auf die Rolle des medizinischen Fachpersonals, diese Kluft zu überbrücken. Der gesamte Aufbau der Präsentation zielt darauf ab, klar zu machen, dass Kommunikation ein wesentlicher Bestandteil der medizinischen Rolle ist.
Folien 4-7
Das erste Thema ist Unfruchtbarkeit. Die Diskussion der medizinischen Perspektive zu diesem Thema erfolgt in zwei Schritten: zunächst durch die Bereitstellung von Definitionen und dann durch eine Erläuterung der Ursachen des Phänomens.
Folien 8- 15
Das Verständnis von Unfruchtbarkeit aus der Patientinnen-Perspektive kann auch durch verschiedene Empathieübungen gefördert werden. Hier sind einige Ideen für die Einbindung der Studierenden:
a) Bevor Sie die Folie zeigen, bitten Sie die Studierenden, sich eine unfruchtbare Frau vorzustellen und in 2-3 Sätzen die Gefühle und Gedanken von Frauen in einer solchen Situation auszudrücken. Ermutigen Sie sie, die Ich-Perspektive zu verwenden, um die Empathie zu verstärken. Lesen Sie einige vorbereitete Sätze vor. Versuchen Sie dann, mit der projizierten Folie gemeinsam zu ermitteln, ob die gesprochenen Sätze mit den auf der Folie dargestellten Emotionen in Verbindung gebracht werden können.
b) Projizieren Sie einen der Fälle! Bitten Sie einen willigen Studierenden, vorzulesen, was auf der Folie zu sehen ist (und damit für ein paar Minuten in die Rolle der Patientin zu schlüpfen). Nachdem der/die freiwillige Studierende den Text in der Ich-Form vorgelesen hat, bitten Sie sie/ihn, in der Rolle der Frau zu bleiben. Ermutigen Sie die anderen Studierenden, der „Patientin“ Fragen zu stellen: Wie fühlst du dich? Wovor hast du Angst? Was ist dein größtes Problem? Der/die Studierende in der Rolle der Patientin kann frei antworten. Diese Übung hilft den Studierenden, das kulturelle und persönliche Befinden der Patientin in einer imaginären spezifischen Situation besser zu verstehen.
c) Projizieren Sie eine der Folien, die einen Fall darstellen, und bitten Sie die Studierenden, zu zweit mit der Person neben ihnen mindestens drei Elemente aus dem Text zu identifizieren, die auf den emotionalen oder kulturellen Zustand der Patientin hinweisen. Diese Übung hilft den Studierenden, zu lernen, wie sie die Emotionen und das Befinden zukünftiger Patientinnen lesen können.
Folien 16
Zu den Aufgaben der Ärztinnen gehört es, die beiden Perspektiven zu überbrücken. Die Folie zeigt die ersten Schritte hierzu. Wir empfehlen dazu die folgenden Verarbeitungs-Ideen:
1. Bitten Sie die Studierenden, sich der Person neben ihnen zuzuwenden und ein kleines Ereignis aus ihrem Tag zu erzählen, etwas, das ihnen passiert ist (z. B.: „Ich habe im Laden einen Schokoriegel gesehen, den ich als Kind oft gegessen habe, und seitdem nicht mehr gesehen habe“). Die/der Partnerin, dieder die Geschichte hört, sollte auf die Erzählung mit einem einzigen Satz reagieren, der die Gefühle des Erzählenden identifiziert oder eine Diskussion darüber anstößt (z. B.: „Ich vermute, das könnte starke nostalgische Gefühle bei dir geweckt haben“ oder „Ich stelle mir vor, dass dies viele Emotionen hervorgerufen hat“). Nach dem Austausch geben Sie Feedback: Wie hat es sich angefühlt, dass die andere Person auf einer emotionalen Ebene auf Ihre Geschichte reagiert hat? Was wurde bei der Gefühlsäußerung gut gemacht und was könnte anders gemacht werden? Diese Übung bietet konkrete Hilfe, um die Gefühle einer anderen Person zu verstehen und anzuerkennen.
2. Zeigen Sie erneut eine der Folien mit Fallbeispielen und formulieren Sie gemeinsam mit den Studierenden Sätze an die Patient*innen, die die Schwierigkeit ihrer Situation anerkennen und explizit machen. Zum Beispiel: „Es könnte schwierig sein, Jennifer, sowohl Gewicht zu verlieren als auch mit dem Rauchen aufzuhören, da dies eine Menge Veränderung auf einmal für Ihren Fall bedeutet.“ Oder: „Es kann sehr entmutigend sein, dass es beim dritten Versuch nicht geklappt hat, besonders wenn man das Gefühl hat, so viel Geld, Zeit und Emotionen in den Prozess investiert zu haben. Andere fühlen sich in dieser Phase ähnlich, und das ist ganz natürlich.“ Diese Übung ermutigt die Studierenden, eine empathische Kommunikation zu entwickeln.
Folien 17-29
Die medizinischen Perspektiven werden auf diesen Folien diskutiert. Der Prozess der assistierten Reproduktionstechnologie (ART) wird zunächst durch Definitionen erklärt, und Meilensteine in der klinischen Embryologie in verschiedenen Ländern werden aufgezeigt, da es sich um ein schnell entwickelndes medizinisches Fachgebiet handelt. Die verschiedenen Ansätze der Reproduktionsmedizin sollten entsprechend dem Wissensstand der Studierenden diskutiert werden. Dieser Teil der Präsentation zielt darauf ab, die möglichen Schritte der verschiedenen Techniken zu verdeutlichen, um die ART-Prozesse zu verstehen.
Sie können die Studierenden auch fragen, ob sie die damit verbundenen Erfolgsraten kennen, um darauf hinzuweisen, dass ART-Verfahren keine Garantie für eine Schwangerschaft bieten und die Erfolgschance weitgehend mit der zugrunde liegenden Ursache der Unfruchtbarkeit, dem Alter der Frau und anderen veränderbaren Risikofaktoren wie dem BMI zusammenhängt.
Die Chancen auf eine erfolgreiche Empfängnis nach dem ersten ART-Zyklus bei gesunden Frauen unter 35 Jahren liegen bei etwa 25-35 %. Diese Schätzung erklärt, warum medizinisches Personal und die Patient*innen selbst auch auf Misserfolge vorbereitet sein sollten. Sie können auch das dazugehörige Video (ca. 3 Minuten) zeigen.
Folien 30-33
Auf den Folien wird zur Veranschaulichung der Schwierigkeiten der assistierten Reproduktionstechnologie (ART) aus der Perspektive der Patientinnen ein einziger, zum Nachdenken anregender Fakt genutzt. Wir machen darauf aufmerksam, dass ein erheblicher Prozentsatz der Frauen während des ART-Prozesses eine klinisch relevante Form von Depression erlebt. Als Vortragender ist es wichtig zu betonen, dass die Bewältigung dieses Zustands keine medizinische (gynäkologische) Aufgabe ist; es handelt sich um ein interdisziplinäres und gesellschaftliches Problem, und auch Ärzt*innen haben die Verantwortung, auf dieses Problem aufmerksam zu machen.
Folien 34-35
a. Die Folie zeigt die Schritte der Kommunikation der Ärztinnen, nachdem das Vertrauen durch die Anerkennung des emotionalen und kulturellen Zustands der Patientin aufgebaut wurde. In dieser Phase gehören zu den Aufgaben der Ärztinnen, die Situation verständlich darzustellen, bevor gemeinsam eine Entscheidung getroffen wird. Die folgenden Übungen können helfen, Kommunikationsherausforderungen zu lösen.
b. Der ART-Prozess war auf den vorherigen Folien sichtbar. Bitten Sie die Studierenden, in Paaren zu arbeiten, wobei einer von ihnen die Rolle eines uninformierten Patienten übernimmt, während der/die andere den ART-Prozess dem „Patienten“ erklärt. Der/die Patientin sollte erwartungsgemäß auf seine/ihre Rolle reagieren (z. B. Verwirrung zeigen, Fragen stellen oder nicken). Nach der Übung sollte der/die „Patientin“ Feedback geben, wie viel er/sie aus der Erklärung seines/ihrer Partnerin verstanden hat. Die Übung hebt die Herausforderungen einer klaren Kommunikation hervor.
c. Bitten Sie die Studierenden, sich in die Rolle des männlichen Arztes im ersten beschriebenen Fall hineinzuversetzen, der aus kulturellen Gründen die Frau nicht untersuchen darf (ihr Mann erlaubt niemandem, sie zu sehen, und sie fühlt sich auch unwohl dabei, von einem männlichen Arzt behandelt zu werden). Lassen Sie die Studierenden über die möglichen Gefühle des Arztes diskutieren. Betonen Sie, dass diese Gefühle normal und häufig sind. Formulieren Sie dann gemeinsam rationale Argumente, die dem Arzt helfen könnten, mit diesen negativen Gefühlen umzugehen. Die Übung zielt darauf ab, die Tatsache zu konfrontieren, dass die Gefühle der Ärzt*innen anerkannt werden müssen und dass kulturelle Barrieren nicht immer überwunden werden können.
Folien 36-37
Um die kulturellen Fragen von ART zu verstehen, haben wir einige ethische und rechtliche Fragen zur Anregung zum Nachdenken vorgeschlagen. Bevor Sie die Folien zeigen, können Sie die Studierenden bitten, mit Hilfe der folgenden Übungen einige Fragen selbst zu erarbeiten:
a. Bitten Sie die Studierenden, an einen Science-Fiction-Film oder -Roman zu denken, in dem Menschen mit vorherbestimmten Eigenschaften geschaffen wurden (z. B. Huxley: Schöne neue Welt). Teilen Sie dies mit und denken Sie über die Probleme nach, die in dieser Situation aufgeworfen wurden! Erkunden Sie außerdem Ihre Gedanken in Richtung biologischer Fragen. (Diese Geschichten zeigen die ethischen und gesellschaftlichen Konsequenzen menschlicher Manipulation auf und werfen die Frage auf, wo die Grenzen der menschlichen genetischen Manipulation liegen. Eine wichtige biologische Frage könnte die langfristigen Folgen der genetischen Manipulation auf das menschliche Genom betreffen und wie dies sicher erreicht werden kann. Ethische Fragen sind, wer solche Entscheidungen treffen kann und welche Prinzipien das Handeln im Bereich der menschlichen genetischen Manipulation leiten sollten.)
b. Bitten Sie die Studierenden, provokative Aussagen über ART zu sammeln. Zum Beispiel: „Es ist natürlich und akzeptabel, dass die Zugänglichkeit von ART-Verfahren je nach ethnischem und sozialem Hintergrund variieren kann“ oder „Es ist akzeptabel, eine Phase der Embryoentsorgung durchzuführen, wenn mehr befruchtete Eizellen als nötig vorhanden sind.“ Sammeln Sie einzeln, in Paaren oder in der Gruppe jeweils 3 Pro- und Kontra-Argumente für jede Aussage.
Folien 38
Wichtige Punkte zum Mitnehmen:
Die Behandlungsmöglichkeiten der Unfruchtbarkeit haben sich in den letzten drei Jahrhunderten rasant entwickelt und entwickeln sich weiterhin schnell. Aus diesem Grund ist eine kontinuierliche Weiterbildung entscheidend, um medizinische Prozesse und deren psychosoziale Auswirkungen zu verstehen.
Beachten Sie, dass das Thema Unfruchtbarkeit immer im persönlichen, kulturellen und sozioökonomischen Kontext betrachtet werden sollte, da die Behandlungsmöglichkeiten auf persönlicher, kultureller/sozialer Ebene begrenzt sein können. Die Zugänglichkeit/Regulierung von ART ist ebenfalls in den verschiedenen Ländern unterschiedlich.
Unfruchtbarkeit und ART sind bio-psycho-soziale Probleme. Idealerweise sollte die Kommunikation zwischen Patientin und Arzt/Ärztin entsprechend verlaufen.
Beachten Sie die ungelösten ethischen Fragen der ART und verfolgen Sie die schnellen Veränderungen der Techniken, Vorschriften und Erfolgschancen in diesem Bereich.
Empfohlene Literatur:
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